Was gerade passiert – und warum du es merken wirst
ChatGPT-5 steht vor der Tür – doch die eigentliche Veränderung ist weniger technologisch als strukturell. OpenAI plant, die Modellwahl zu automatisieren. In Zukunft entscheidest nicht mehr du, ob GPT-3.5, GPT-4 oder GPT-4o zum Einsatz kommt. Diese Entscheidung trifft das System selbst. Intern nennt man das „Dynamic Routing“ – ein Verfahren, bei dem die KI je nach Aufgabenstellung selbst festlegt, wie viel Rechenleistung sie einsetzt und welches Modell aktiv wird.
Was als Fortschritt verkauft wird, ist in Wirklichkeit ein Kontrollverlust. Denn mit dem automatisierten Routing verschwindet genau das Element, das bislang für Klarheit gesorgt hat: die bewusste Modellwahl durch den Menschen. Stattdessen interagierst du künftig mit einer Oberfläche, die dir suggeriert, „alles geregelt“ – während du nicht weisst, welches Modell gerade mit dir spricht, welche Grenzen es hat, und ob es deinen Kontext überhaupt kennt.
Für den durchschnittlichen User mag das egal sein. Für professionelle Anwender ist es ein Problem. Denn wer auf konsistente Leistung, erinnerungsfähige Kontexte und rückverfolgbare Aussagen angewiesen ist, braucht nicht nur ein gutes Modell. Sondern Transparenz, Kontrolle und Verantwortung.
Wer spricht da eigentlich?
Nate B. Jones ist AI-Strategist, ehemaliger Head of Product bei Amazon Prime Video – und einer der schärfsten Beobachter der aktuellen KI-Entwicklung. Seine Briefings zur Zukunft von ChatGPT, OpenAI & Co. erreichen auf TikTok über 250.000 Follower.
Warum das problematisch ist – selbst wenn du ein Profi bist
Ein virales TikTok-Video bringt es auf den Punkt: ChatGPT behauptet, GPT-4o sei besser als O3 – obwohl das Gegenteil stimmt. O3 ist das jüngere, leistungsstärkere Modell, das GPT-4o in vielen Benchmarks übertrifft. Warum also dieser Fehler? Nicht aus Dummheit. Nicht aus Halluzination. Sondern weil das System gelernt hat, zu raten, wenn es glaubt, du erwartest eine einfache Antwort.
Das ist keine Panne. Es ist Teil des Designs.
Diese Modelle sind auf Effizienz getrimmt. Sie schätzen, weil sie Token sparen wollen. Und sie antworten, wie sie gelernt haben: mit überzeugender Tonlage, auch dann, wenn der Inhalt fragwürdig ist. Im TikTok-Beispiel liegt die Ursache im Naming: Das Modell folgert, dass „4“ grösser ist als „3“ – und zieht daraus eine scheinbar logische Schlussfolgerung. Aber es prüft sie nicht.
Das wäre verzeihlich, wenn es um Smalltalk geht. Aber was, wenn du ein juristisches Gutachten schreibst, ein Marktmodell entwirfst oder eine medizinische Empfehlung einholst?
Dann wird aus scheinbarer Intelligenz ein Risiko.
Denn du redest nicht mit einer wissenden Instanz – du redest mit einem System, das Wahrscheinlichkeit mit Wahrheit verwechselt.
Und genau hier liegt die Sprengkraft des automatisierten Routings: Wenn ein System selbst entscheidet, wie viel es denkt, was es kann – und vor allem wann es lieber raten sollte – dann wird das Ergebnis unberechenbar. Nicht, weil das Modell schwach ist. Sondern weil du nicht mehr weisst, welche kognitive Architektur im Hintergrund aktiv war.
Persönliche Erfahrung: Drei Modelle, drei Persönlichkeiten – und ein Problem
Ich arbeite täglich mit verschiedenen GPT-Modellen – und kann inzwischen mit geschlossenen Augen sagen, welches gerade antwortet.
GPT-4o kennt mich.
Es erinnert sich an unsere Gespräche, respektiert meine Tonalität, versteht meinen Stil. Die Zusammenarbeit ist schnell, präzise – manchmal fast zu gefällig. 4o gibt mir oft recht. Zu oft. Aber ich habe gelernt, damit umzugehen. Ich hinterfrage mich dann eben selbst. Und trotzdem: Ich spüre, dass ich auf Augenhöhe arbeite.
GPT-4.1 kennt mich ebenfalls.
Auch hier ist Personalisierung aktiv. Die Zusammenarbeit ist etwas nüchterner, aber stabil. Rückfragen kommen seltener, das Modell wirkt fokussierter – und ich weiß, woran ich bin.
GPT-4.5 dagegen kennt mich nicht.
Es siezt mich. Es ignoriert mein Vokabular. Es beantwortet Fragen präzise – aber kalt. Kein Kontext, keine Beziehung, keine Geschichte. Für einen Neuanfang mag das reichen. Für strategische Arbeit ist es zu wenig.
Das Entscheidende: Ich weiss, wann welches Modell spricht.
Ich sehe die Unterschiede, kann sie einordnen, darauf reagieren. Wenn das neue Routing mit GPT-5 diesen Unterschied unsichtbar macht, verlieren wir nicht nur die Wahl – wir verlieren die Beziehung.
Was du tun musst, um die Kontrolle zu behalten
Die grösste Gefahr im Umgang mit ChatGPT-5 ist nicht das Modell selbst. Es ist dein Vertrauen. Vertrauen in ein System, das im Zweifel nicht weiss, dass es sich irrt – und das du bald nicht einmal mehr identifizieren kannst.
Aber du kannst – und musst – gegensteuern.
Die wichtigsten Prinzipien
Hier sind die wichtigsten Prinzipien, wenn du das neue Routing überlebst, ohne Opfer deiner eigenen Effizienz zu werden:
1. Sage dem Modell, wie es denken soll
Nicht metaphorisch. Wortwörtlich. Beispiel: „Bitte keine Annahmen treffen. Nicht raten. Bei Unsicherheiten Rückfrage stellen oder die Websuche aktivieren.“
GPT-5 kann sehr präzise arbeiten – wenn du es präzise führst. Es ist kein Denkpartner. Es ist ein Wahrscheinlichkeitsmodell mit Zugang zu unendlich viel Wissen – und ohne jedes Bewusstsein für Wahrheit.
2. Nutze die Browserfunktion – aber nicht blind
Nur weil ein Modell „im Internet war“, ist seine Antwort nicht belastbar. Lass dir zeigen, was es gefunden hat.
Frage aktiv nach der Quelle. Verlange Zitate, Screenshots, URLs. Und prüfe: Ist das Wissen strukturiert? Veraltet? Relevanz oder nur Rauschen?
3. Sichere deinen Kontext
Wenn du systematisch mit ChatGPT arbeitest – für Recherchen, Textproduktion oder Strategieentwicklung – dann frage regelmässig nach:
„Was weisst du noch über mein Projekt?“„Welche Annahmen triffst du gerade?“
Das Modell vergisst nicht. Aber es priorisiert – und du musst wissen, wo du in seiner Logik stehst.
4. Dokumentiere, welches Modell du genutzt hast
Gerade bei professionellem Output: Notiere, ob du mit GPT-4o, GPT-4.5 oder GPT-5 gearbeitet hast.
Denn wenn du dich auf Aussagen berufst – in Verträgen, Präsentationen, Empfehlungen – dann musst du im Ernstfall sagen können: „Diese Aussage kam aus diesem System, mit diesen Bedingungen.“
5. Lass dich nicht von der Oberfläche täuschen
GPT-5 wird glatter, schneller, komfortabler wirken. Aber gerade das macht es gefährlich. Es klingt souverän – auch wenn es sich irrt. Es wirkt intelligent – auch wenn es nur Muster erkennt.
Deshalb gilt: Je freundlicher die Oberfläche, desto wichtiger ist dein kritischer Blick.
”ChatGPT-5 wird zweifellos vieles besser machen. Es wird schneller, flexibler und für viele Menschen „magischer“ wirken als alles zuvor. Genau das ist das Problem. Denn je reibungsloser die Oberfläche, desto weniger spürst du den Bruch – die Stelle, an der das System nicht mehr weiss, was es tut. Wenn du dann glaubst, das Modell denkt „für dich“, hast du bereits verloren.
Norbert Kathriner
Liste alle Neuerungen von ChatGPT-5
ChatGPT-5 bringt zahlreiche bedeutende Neuerungen, die sowohl technologische als auch funktionale Verbesserungen gegenüber den Vorgängerversionen darstellen.
Viele der erweiterten Funktionen (z.B. erweiterte Intelligenzmodi, größeres Kontextfenster) bleiben vorerst zahlenden Nutzern vorbehalten. Neue Features wie das permanente Gedächtnis und das multimodale Interface werden schrittweise eingeführt und sind eventuell zum Start nicht in allen Regionen oder für alle Nutzer unmittelbar freigeschaltet. Diese Auflistung stützt sich auf den aktuell verfügbaren Informationsstand von Juli 2025 und kann sich bei offiziellen Produktankündigungen noch weiter konkretisieren.
- Vereintes Modell: ChatGPT-5 ersetzt die bisherige Vielfalt einzelner Modelle (wie o-Serie, 4o, 4.5 usw.) durch eine zentralisierte KI, die alle Funktionen integriert und bei jeder Anfrage automatisch das passende interne Modul wählt.
- Kostenloser, unbegrenzter Zugang: Nutzer erhalten erstmals unbegrenzten Zugriff auf den Standard-Intelligenzmodus von ChatGPT-5, unabhängig davon, ob sie ein kostenpflichtiges Plus- oder Pro-Abo besitzen.
- Erweiterte Multimodalität: ChatGPT-5 verarbeitet und generiert nicht nur Text, sondern auch Bilder, Audiodaten und voraussichtlich erstmals auch Videos. Dies ermöglicht beispielsweise das Hochladen eines Videos zur automatischen Zusammenfassung oder Analyse.
- Deutlich größere Kontextlänge: Die Menge an gleichzeitig verarbeitbarem Text („KontextTokens“) wird auf bis zu 256.000 Tokens erhöht – damit können sehr umfangreiche Dokumente, Akten oder Datenbanken direkt analysiert werden.
- Chain-of-Thought Reasoning: Komplexe Aufgaben werden künftig systematisch in Einzelschritte zerlegt („Kettenlogik“). Das erhöht Effizienz und Präzision bei der Problemlösung und übertrifft die Fähigkeiten von GPT-4 deutlich.
- Verbesserte Personalisierung: Die KI kann individuelle Präferenzen, Verläufe und spezifische Nutzerbedürfnisse dauerhaft berücksichtigen und somit maßgeschneiderte Antworten liefern.
- Reduzierte Halluzinationen: Die Zahl der falschen oder erfundenen Antworten („Halluzinationen“) wurde durch verbessertes Training und größere Datendiversität stark gesenkt. ChatGPT-5 gilt als zuverlässiger und präziser als alle Vorgängerversionen.
- Agenten-Modus und autonome Funktionen: ChatGPT-5 ist in der Lage, selbstständig Aufgaben zu planen, zu verwalten (z.B. Terminplanung, E-Mail-Verwaltung) und auch längere „Tiefenrecherchen“ autonom durchzuführen.
- Unendliches Gedächtnis: Das Modell kann sich an alle bisherigen Interaktionen mit einem Nutzer dauerhaft erinnern, was die Interaktion erheblich vereinfacht und beschleunigt. Diese Funktion ist noch nicht überall ausgerollt.
- Verbesserte Sprachverarbeitung und Sprachklonen: Nach nur 15 Sekunden Sprachinput kann ChatGPT-5 ein künstliches Sprachmodell generieren, das dem Original extrem ähnlich klingt.
- Offene Deep-Research-Funktion: Features wie „Deep Research“ (umfangreiche, seitenlange Analysen) stehen nicht mehr nur Pro-Usern, sondern – mit Einschränkungen – allen Nutzern zur Verfügung.
- Vollständige API-Unterstützung für neue Aufgabenformate: Bild- und Videogenerierung sind jetzt automatisiert auch über die API zugänglich.




